Vier Dinge, die ich in drei Monaten Praktikum über digitale Desinformation gelernt habe

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Sofie-Julietta Zahn

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Die Dynamiken von Digitalisierung und Demokratie bzw. der Gesellschaft interessieren mich schon seit langem, sodass ich mir die Gelegenheit für ein Praktikum an der Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Demokratie kaum entgehen lassen konnte. Vor meinem Praktikum im Upgrade Democracy Team der Bertelsmann Stiftung hätte ich mit wenig Zögern selbstbewusst gesagt, dass ich Desinformationen erkenne und für Verschwörungserzählungen nicht anfällig bin. Ich dachte einfach, dass ich mit meinem Politikstudium bestens gewappnet sei, um Informationen korrekt einzuordnen und politische Kontexte zu erkennen. Im Laufe des Praktikums begriff ich schnell, dass ich, wie wir alle, Gefahr laufen kann, von Desinformationen und Verschwörungstheorien getäuscht zu werden. Ich las viel, nahm an verschiedenen Veranstaltungen teil und tauschte mich mit vielen Kolleg:innen aus, wodurch ich meine Ansichten rund um die Thematik Desinformationen intensiv reflektieren konnte. Im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche für das Team habe ich dutzende Texte und Analysen zur Wirkungsweise von Desinformation insbesondere im digitalen Raum gelesen, folgende vier sind mit dabei besonders hängen geblieben.

Desinformation und Polarisierung

Welche Mechanismen liegen dem Zusammenhang von Desinformationen und Polarisierung zugrunde und wie könnte ich als politisch interessierte Person dies mitunter negativ verstärken? Für diese Frage empfehle ich einen Text von Lejla Turčilo und Mladen Obrenović der Heinrich-Böll-Stiftung.

Zu Polarisierung kommt es vor allem dann, wenn wir Bürger:innen als Nutzer:innen auf sozialen Medien von extremen und emotional aufgeladenen Meinungen begeistert werden. Natürlich kann ich viel leichter überzeugt werden, wenn jemand ein starkes Gefühl in mir weckt und mich an einer sensiblen Stelle trifft. Es kann sein, dass ein intensives Gefühl der Freude, Angst oder der Zugehörigkeit in mir ausgelöst wird und mein Gefühl mich von anderen Argumenten ablenkt. Ich erinnere mich dann mitunter eher daran, wie ich mich fühlte, als an die eigentlichen Details der Information. So können sich Desinformationen oder Verschwörungserzählungen auch bei gut informierten Menschen hier und da verfangen. Und hier liegt eine wesentliche Herausforderung: Eine starke, emotionale Ausgestaltung macht sowohl Desinformationskampagnen als auch die Empfehlungsalgorithmen auf sozialen Plattformen so erfolgreich – Emotionen bringen Klicks, Emotionen verfangen im Gedächtnis. Die Autor:innen sprechen deshalb davon, dass wir in einem postfaktischen Zeitalter leben, in dem Emotionen wichtiger als Fakten sind.

Desinformationskampagnen von staatlichen Akteuren

Ich las verschiedene Artikel zur Aufklärung von Desinformationskampagnen und stellte fest, dass Desinformationen quasi in die ganze Bandbreite an aktuellen politischen Themen eingebettet werden. Aus aktuellem Anlass möchte ich ein Bespiel aus dem russischen Krieg gegen die Ukraine anführen, das nicht zuletzt deutlich macht, wie stark Populismus und Propaganda auch in Deutschland wirken. Die Analyse des EU Disinfo Labs zum Projekt „Doppelgänger“ ist besonders einschlagend.

Russland greift die Ukraine nicht nur militärisch an, sondern führt gleichzeitig eine Art Informationskrieg, wobei Desinformationen gezielt in europäischen Medien verbreitet werden. Über detaillierte, gut aufbereitete Kopien von etablierten Nachrichtenportalen haben russische Akteur:innen gezielte Desinformationen gesteuert. So konnten diese das Narrativ verströmen, die Ukraine und Deutschland seien seit dem Krieg (wieder) nationalsozialistischer geprägt. Im Zuge dessen konnte nachgezeichnet werden, dass antidemokratische Strömungen in der Ukraine und in Deutschland Zuwachs bekommen, Putins Handeln in diesen Kreisen legitimiert und das Handeln seiner Opponent:innen diskreditiert wird. Die Maschinerie aus Angst und Täuschung droht, das Vertrauen in demokratische Institutionen zu unterminieren und den Einfluss von Populist:innen zu bestärken.

Was gegen Desinformation getan werden kann

Gegen Ende meiner Tätigkeit als Praktikantin habe ich ein tieferes Bewusstsein dafür entwickelt, dass Desinformationen kein neues Phänomen sind und dass es noch viel zu lernen gibt, nicht zuletzt mit Blick auf Dynamiken in sozialen Netzwerken. Es stellt sich die wichtige Frage, wie gegen Desinformationen im digitalen Raum vorgegangen werden kann und ich erfuhr viel über bisher ergriffene Maßnahmen, aber auch, dass es unbedingt innovativer Lösungen bedarf. Abschließend möchte ich deshalb einen Text des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz vorstellen, der im Kampf gegen Desinformationen verstärkt einen interdisziplinären Ansatz fordert.

Präventive Interventionen wie Regulierungen, aktive Eingriffe wie Content Moderation und reaktive Maßnahmen wie Social Media-Monitoring reichen nicht aus. Diese Interventionen nehmen ausschließlich Desinformationen als Symptom in den Blick. Stattdessen müssen wir uns bewusst machen, dass Desinformationen an bestehenden gesellschaftlichen Problemen ansetzen und, „[…] dass Desinformationen in der Gesellschaft daher auf fruchtbaren Boden [fallen].“ Das Kompetenznetzwerk fordert deshalb, aus dem Silodenken rauszukommen, interdisziplinäre Lösungsansätze zu fördern und ein neues „Sensemaking“, eine neue Diskurskultur zu schaffen .

Fakt ist, dass die Informationskrise bewältigt werden muss, um die demokratische Willensbildung (in den sozialen Medien) aufrecht zu erhalten. Ich selbst freue mich darauf, mich weiterhin mit politischen Themen zu beschäftigen und Entwicklungen zu analysieren und mir ist heute definitiv bewusster als noch vor ein paar Monaten, wie komplex es sein kann, sich eine informierte Meinung zu bilden.


Sofie-Julietta Zahn

Julietta Zahn hat als Praktikantin von Mitte Oktober 2022 bis Anfang Januar 2023 die Anfänge von Upgrade Democracy mit begleitet. Sie studiert im Bachelor Politik- und Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz. 

Praktikantin, Upgrade Democracy

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