Twitter/X, unser Glossar, Desinformation in Europa – Newsletter #8

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Dr. Joachim Rother

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Hallo und herzlich willkommen zu Ausgabe Nr. 8 von Upgrade Democracy News!

Mich hat in den vergangenen Tagen das Thema Vertrauen stark umgetrieben.
Zum Beispiel vertraue ich auf die Resilienz unserer Demokratie, auch angesichts des Anwachsens von Populismus in unserer Gesellschaft.

Ich vertraue darauf, dass Menschen auch weiterhin auf unserem blauen Planeten leben möchten, auch wenn wir aktuell Gefahr laufen, die Klimaziele nicht zu erreichen und es Angesichts der Ignoranz mancher Mitbürger:innen manchmal auch nicht den Eindruck macht, als bestünde wahnsinnig großes Interesse daran.

Ehrlich gesagt vertraue ich auf ziemlich viel. In schwachen Momenten droht dieses Vertrauen aber auch zu bröckeln. Auch, weil ich den Eindruck habe, dass mit dieser „Währung Vertrauen“ bisweilen zu leichtfertig umgegangen wird.

Zuletzt ist mir das im Fall von Twitter…, äh X, aufgefallen. Schon seit Elon Musk die Plattform im Oktober letzten Jahres übernommen hatte, schien er keine Gelegenheit auszulassen, um das Vertrauen der Nutzer:innen in die Plattform leichtfertig zu verspielen. Man denke nur an den Wirrwarr um den blauen Haken oder die plötzliche Begrenzung der maximal einsehbaren Posts pro Tag für nicht-zahlende Nutzer:innen. Dabei zeigt unsere neueste Studie gerade, wie wichtig vertrauenswürdige Plattformen eigentlich sind. Der zufolge sind 54 Prozent der EU-Bürger:innen nämlich verunsichert, was die Verlässlichkeit von Informationen im Internet angeht (mehr dazu ist unten verlinkt).

Und jetzt also die Umbenennung von Twitter in X. Damit wird eine Marke beseitigt, die geschafft hatte, wovon die meisten Marken nur träumen können: Über Worte wie „twittern“ Bestandteil der Alltagssprache zu werden. Besseres Marketing ist auch mit viel Geld nicht zu kaufen.

So wird es nun wohl eine der zentralen Aufgabe von Musk und seinem Team sein, den Scherbenhaufen aufzukehren und neues Vertrauen zu stiften. In die Plattform, in die Marke, letztlich in ihn als Eigentümer. Denn ohne Vertrauen wird die Vision von X als der neuen Superplattform à la WeChat womöglich eine Vision bleiben. Zumal wenn die Konkurrenz nicht schläft: Denn nicht ganz zufällig hat Meta, im Moment von Twitters größter Schwäche, den Kurznachrichtendienst Threads gelaunched. Und zwar auf Basis einer Plattform, der Nutzer:innen seit sehr vielen Jahren bereits großes Vertrauen schenken (ob gerechtfertigt darf getrost hinterfragt werden, wie ein aktueller Artikel meiner beiden Kolleginnen Cathleen und Charlotte im Tagesspiegel Background klar zeigt), nämlich Instagram (Nicht umsonst ist Instagram Bestandteil des Titels „Threads, an Instagram App“). Allein in der ersten Woche hat Metas Konkurrenzprodukt die Nutzer:innenschwelle von 100 Mio. überschritten.

Daran seht man mal, welch große Rolle Vertrauen bzw. Vertrautes doch im digitalen Raum spielt, oder? Im so anonymen und unpersönlichen Internet sind dann doch plötzlich sehr menschliche Werte die mitunter wichtigste Währung. Das stimmt mich zuversichtlich und unterstreicht die große Bedeutung unserer Arbeit.

Eine interessante Analyse zu den Geschehnissen um die beiden Plattformen hat die George Washington University geliefert. Vertrauen kann man auch den Informationen in unserem neuen Glossar zum Thema Desinformation, das frisch auf unserer Upgrade Democracy Website online gegangen ist. Hier findet ihr verschiedene Methoden zum Umgang mit digitaler Desinformation. Wie es um Desinformation und das Vertrauen in die Medien in ausgewählten Ländern Europas steht, hat mein Kollege Kai außerdem in einer aktuellen Erhebung ausgewertet. Ergebnis: Mehr als die Hälfte der EU-Bürger:innen vertraut nicht auf die Korrektheit von Informationen online. Und: Fast neun von zehn Europäer:innen sehen sowohl Tech-Unternehmen als auch die Politik in der Pflicht, gegen Desinformationen vorzugehen.

Viel Spaß bei der Lektüre, Joachim

 


Einstellungen und Wahrnehmungen zu Desinformation in Europa

Kai hat sich in seiner neuen Studie mit Einstellungen und Wahrnehmungen zu Desinformation in Europa befasst. Dabei zeigt die Befragung von über 13.000 Personen beispielsweise, dass eine überwältigende Mehrheit der EU-Bürger:innen sich mehr Einsatz bei der Bekämpfung von Desinformationen wünscht.

Studie


„Bloggers for Hire“: Desinformation als Geschäftsmodell in Kenia

Text von Virginia Kirst

Vor dem Hintergrund der schwierigen Wirtschaftslage in Kenia nimmt bezahlte Desinformation eine zunehmend wichtige Rolle ein. Immer mehr Kenianer:innen lassen sich bezahlen, um im Internet falsche Informationen zu verbreiten – mit negativen Folgen für die öffentliche Meinungsbildung.

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Die Twitter-Alternative, die keine ist

Wenn man genau hinguckt, ist Threads keine allzu vielversprechende Alternative zu Twitter. Meta setzt dort vielmehr seinen Hang zu Überwachungskapitalismus, digitalem Kolonialismus und Aufmerksamkeitsökonomie fort. Es ist an der Zeit, die echten Alternativen zu fördern.

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Leseempfehlungen

Ein Vergleich zwischen Twitter und Threads

Die George Washington University hat sich in diesem Text mit einem detaillierten Vergleich zwischen Twitter und Metas neuem Kurznachrichtendienst Threads gewidmet

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Desinformationsglossar von Upgrade Democracy

Prebunking und Trust-Checking sind spanische Dörfer für euch? Wir schaffen Abhilfe. Die wichtigsten Begriffe im Kontext von Desinformation haben wir für euch verständlich erklärt.

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Dr. Joachim Rother

Dr. Joachim Rother

Project Manager

Dr. Joachim Rother ist Project Manager im Team Upgrade Democracy der Bertelsmann Stiftung und unter anderem verantwortlich für den Reinhard Mohn Preis 2024. Vorher leitete Joachim die Israel Aktivitäten der Bertelsmann Stiftung und widmete sich dem Ausbau der deutsch-israelischen Beziehungen auf kultureller, wirtschaftlicher wie politischer Ebene. Joachim hat Geschichte, Englisch und Sozialkunde an der Otto-Friederich-Universität Bamberg studiert und hat mit einer Arbeit zur Geschichte der Kreuzzüge im Fachbereich der Mittelalterlichen Geschichte promoviert. Vor seiner Beschäftigung bei der Bertelsmann Stiftung war Joachim stv. Büroleiter der Konrad-Adenauer Stiftung (KAS) in Jerusalem, Israel. Joachim ist Alumnus der Promotionsförderung der KAS, des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Washington D.C. und des Jerusalemer Instituts der Görres Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaften.
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