Desinformation im Nahostkrieg, Verschwörungstheorien und Hassbotschaften – Newsletter #14

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Dr. Kai Unzicker

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Herzlich Willkommen zur 14. Ausgabe unseres Newsletters!

Vor einem Monat, am 7. Oktober 2023 drangen terroristische Kommandos der Hamas in Israel ein und begingen grausame und hinterhältige Verbrechen an jüdischen Zivilist:innen. In den Tagen und Wochen danach griff die israelische Armee die Stellungen der Hamas im Gaza-Streifen an. Jetzt ist Krieg im Nahen Osten. Und mit dem Kämpfen kommen die Falschinformationen. Deshalb werfe ich in der heutigen Ausgabe unseres Newsletters einen Blick auf Desinformationen im Rahmen des aktuellen Nahostkrieges.

Das Unternehmen News Guard hat sich die Verbreitungswege von zehn falschen bzw. unbewiesenen Behauptungen innerhalb der ersten Woche des Krieges auf „X“ näher angeschaut. Die zehn von News Guard untersuchten Falschnachrichten erhielten innerhalb von einer Woche 1,3 Millionen Interaktionen (geteilt, geliked, kommentiert) und wurden mehr als 100 Millionen mal gesehen. Lediglich knapp ein Drittel der Falschinformationen waren mit einem Hinweis, einer sogenannten Community-Note, gekennzeichnet. Außerdem zeigte sich, dass fast dreiviertel der untersuchten Falschnachrichten von Accounts verbreitet wurden, die einen blauen Haken haben. Früher galt dieser Haken mal als Zeichen von Verlässlichkeit, weil er nur verifizierten Usern verliehen wurde. Die News Guard Analyse offenbart jedoch, seit man den Haken für Geld bekommt, symbolisiert er eher das Gegenteil. Bezeichnend ist auch, dass selbst „Superspreader“, d.h. Accounts die mehrfach und mit großer Reichweite Falschnachrichten verbreiten, bei „X“ mit einem blauen Haken versehen sind.

Eine Untersuchung des Institute for Strategic Dialogue (ISD) zeigt, dass auch staatliche Akteure Falschnachrichten zum Gaza-Krieg verbreiten. Das ISD hat sich insbesondere Accounts in den sozialen Medien angeschaut, die mit Iran, Russland und China in Zusammenhang stehen. Das Fazit lautet, die staatlichen Akteure nutzen die unübersichtliche Situation, um sie zu ihren Zwecken auszunutzen. Sie verbreiten anti-westliche Erzählungen, schüren aktiv Hass und verknüpfen den Krieg im Nahen Osten mit anderen Themen, wie z.B. dem Ukrainekrieg.

Vor allem antisemitische Verschwörungstheorien und Hassbotschaften prägen die Falschinformationen im Kontext des Gaza-Kriegs. CeMAS weist in einem Artikel darauf hin, dass die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten und die damit verbundenen Falschnachrichten an tradierte antisemitische Verschwörungserzählungen andocken und sich so besonders schnell verbreiten können. Sowohl das Milieu der deutschsprachigen Verschwörungsideologen als auch islamistische Akteure greifen laut CeMAS auf diese Erzählungen zurück. Reichlich Material zum Thema Antisemitismus, wie man ihn erkennt und was man dagegen tun kann, findet man u.a. auch bei der Amadeu Antonio Stiftung. Hier gibt es auch eine Zusammenstellung der gängigen Codes und Metaphern, die auch jetzt, im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg immer häufiger auftauchen.

Und was kann man selbst tun, um sich zu wappnen: Das Center for Countering Digital Hate hat eine kurze Liste von wichtigen Hinweisen zusammengestellt, wie man mit dem vermehrten Aufkommen von Falschinformationen und Propaganda umgehen kann. Einer der wichtigsten Ratschläge lautet: Wenn sie nicht überprüfen können, ob eine Information wahr ist und nicht klar ist, ob es hilfreich ist, diese zu teilen, dann teilen sie sie nicht! Das gilt gerade auch für erschütternde Gewaltdarstellungen.

Last but not least möchte ich auch auf eine Sonderseite des Recherchenetzwerks Correctiv hinweisen. Hier sind alle Faktenchecks und Recherchen zum Thema Naher Osten zusammengestellt und werden regelmäßig aktualisiert. Wenn man also unsicher ist, ob eine Information stimmt, lohnt es sich, hier einen Blick hineinzuwerfen.

Herzlichst Kai


Dr. Kai Unzicker

Dr. Kai Unzicker

Co-Lead

Dr. Kai Unzicker ist als Senior Project Manager im Programm „Demokratie und Zusammenhalt“ der Bertelsmann Stiftung tätig. Er ist Co-Leiter des Projekts „Upgrade Democracy“, das sich mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung für die Demokratie befasst. Zuvor hat er seit 2011 für die Bertelsmann Stiftung das „Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt“ entwickelt. In zahlreichen Studien hat er gesellschaftliche Veränderungen im internationalen Vergleich, in Deutschland und auf regionaler und lokaler Ebene untersucht. Für die Themen Zusammenhalt, Vertrauen, Gerechtigkeit und Solidarität sowie neuerdings Desinformation ist er als Experte in den Medien und Speaker bei Veranstaltungen gefragt. Er ist einer der Sprecher der „Allianz für gesellschaftlichen Zusammenhalt“, einem Zusammenschluss von mehreren Stiftungen, die sich in ihrer Arbeit auf unterschiedliche Art und Weise mit der Stärkung des Zusammenhalts in Deutschland befassen. 2018 hat er als Projektleiter den Reinhard Mohn Preis zum Thema „Vielfalt leben – Gesellschaft gestalten“ verantwortet. Von 2004 bis 2011 war er als Wissenschaftler am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld tätig. Kai Unzicker hat von 1998 bis 2004 Soziologie, Psychologie und Philosophie an der Philipps-Universität Marburg studiert.

Weitere Informationen, u.a. zu Publikationen und Projekten finden sich auf der Website der Bertelsmann Stiftung: Profil von Dr. Kai Unzicker

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