Cathleen Berger, Charlotte Freihse, Matthias C. Kettemann, Katharina Mosene, Vincent Hofmann

EU-Wahlen 2024: Wie wir resilienter gegen Desinformationskampagnen auf sozialen Plattformen werden

Impulse #5
  • 1. Wahlprozesse und Desinformation: Stärkung des digitalen Diskurses im Vorfeld von 2024

    Die bevorstehenden EU-Wahlen 2024 sind ein wichtiger Moment für den digitalen Wahlkampf, die Steuerung von Online-Diskursen – und die Zukunft Europas insgesamt. Desinformationskampagnen, Hassrede und Versuche, öffentliche Debatten zu manipulieren, werden eine zentrale Herausforderung darstellen. Es besteht die Gefahr, dass die Bürger:innen demokratischen Prozessen, öffentlichen Diskursen und den politischen Institutionen Europas skeptisch und misstrauisch gegenüberstehen. Und dieses Risiko ist real: Aktuelle, von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebene forsa-Umfragen haben den Einfluss digitaler Desinformation, insbesondere im Kontext von Wahlen, untersucht. Sie ergaben, dass 54 % der Internetnutzer:innen zumindest gelegentlich mit politisch motivierter Desinformation in Berührung kommen. Ganze 85% glauben, dass Desinformation demokratische Prozesse gefährden kann. Es gibt jedoch auch eine gute Nachricht: Studien belegen, dass Desinformationen nicht in großem Umfang die Meinungen beeinflussen und dass die Nutzer:innen immer besser in der Lage sind, solche irreführenden oder falschen Inhalte zu erkennen, auch wenn sie ermutigt werden könnten, diese regelmäßiger und aktiver zu melden.

    Bemühungen und Initiativen zum Schutz demokratischer Wahlen – einschließlich der EU-Wahlen – vor Informationsmanipulation und ausländischer Einmischung haben in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Beispiele aus jüngsten Wahlen in anderen Ländern werfen die Frage auf, ob wir (ausreichend) vorbereitet sind: Desinformationskampagnen, die auf den Wahlprozess und seine Legitimität abzielen, spielten eine wichtige Rolle bei den brasilianischen Unruhen im Januar 2022 und dem Sturm auf das US-Kapitol in Washington D.C. im Januar 2021. In beiden Fällen lassen die Gegenmaßnahmen der sozialen Netzwerke, die mit Behauptungen und Anschuldigungen des Wahlbetrugs oder der Wahlverweigerung überschwemmt wurden, lange bevor die eigentlichen Unruhen begannen, viel zu wünschen übrig. Hier ist Vorsicht geboten, da die Plattformen weiterhin zu langsam und ohne angemessene Vorbereitung handeln. Dies wird dadurch verschärft, dass in jüngster Zeit fast alle Plattformen Entlassungen oder Personalabbau vorgenommen haben, insbesondere in den Teams, die für die Überwachung und den Umgang mit Desinformationen zuständig sind (oft als „Trust & Safety“-Teams bezeichnet).

    Hinzu kommt die besorgniserregende Tendenz, dass politische Akteur:innen polarisierende Themen ausnutzen, um Wähler:innen zu mobilisieren und den sozialen Zusammenhalt zu untergraben. Themen, die regelmäßig für Desinformationen genutzt werden, sind z.B. Maßnahmen während der COVID-19-Pandemie, Russlands Angriff auf die Ukraine, Gender- und Klimathemen (die wir in unserem letzten Impuls besprochen haben), Migration, Energiepreise oder Mobilität in Städten – sie alle werden instrumentalisiert, um emotionale Reaktionen auszulösen und einen konstruktiven, öffentlichen Diskurs mit differenzierten Argumenten zu verhindern. Auf diese Weise werden politische Debatten verzerrt und das Vertrauen in politische Prozesse und Institutionen zunehmend untergraben. Solche Desinformationskampagnen können von ausländischen Akteur:innen lanciert oder von inländischen Akteur:innen aus kurzsichtigen Motiven gezielt verbreitet werden. Geeignete Gegenmaßnahmen zu finden, ist daher noch komplexer.

    Die Europäische Union hat bereits verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation ergriffen. So wird das sogenannte Europäische Schnellwarnsystem für Desinformation rechtzeitig zu den EU-Wahlen 2024 voll einsatzfähig sein. Darüber hinaus wird das Gesetz über digitale Dienste (DSA) auf den Prüfstand gestellt, ob es die Verbreitung von Desinformationen auf digitalen Plattformen wirksam regelt. Anbieter digitaler Plattformen wie Meta, X (früher Twitter) und Google haben Richtlinien zur Wahlintegrität entwickelt, die darauf abzielen, gefälschte Konten und illegale Inhalte zu identifizieren und zu entfernen. Angesichts der Volatilität der öffentlichen Debatten und der Bedeutung von Wahlprozessen könnte es jedoch sein, dass noch viel mehr getan werden muss.

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