Cathleen Berger, Charlotte Freihse, Katharina Mosene, Matthias C. Kettemann, Vincent Hofmann

Bedrohungen für die Demokratie: Klima-Fehlinformationen und geschlechtsspezifische Desinformation

Impulse #4
  • 1. Wie Klima-Fehlinformationen und geschlechtsspezifische Desinformation Demokratien und den gesellschaftlichen Wandel bedrohen

    Unser Informationsökosystem steht unter Druck und stellt Demokratien auf der ganzen Welt vor große Herausforderungen. Digitale Desinformation erreicht Millionen von Menschen mit verheerenden Auswirkungen: In Christchurch, Halle an der Saale und El Paso mündeten Online-Desinformationskampagnen in hassmotivierte gewalttätige Angriffe; „Deny, Delay, and Diffuse“-Taktiken (leugnen, verzögern und zerstreuen) im Kontext der Klimakrise verlangsamen oder unterbinden sogar notwendige Maßnahmen und Regulierungen, mit schwerwiegenden Folgen für das Leben von Menschen, die Artenvielfalt, und mehr. Was aber, wenn Inhalte zwar schrecklich, aber rechtlich zulässig ist? Wie können wir die Notwendigkeit, schädliche Inhalte zu bekämpfen, mit der Verpflichtung zum Schutz der Meinungsfreiheit und der Privatsphäre in Einklang bringen?

    Desinformation ist vorsätzlich. Das heißt: Menschen, die Desinformationen verbreiten, versuchen, andere Menschen zu beeinflussen, in die Irre zu führen oder zu manipulieren. In der Praxis kann es schwierig sein, diese böswillige Absicht nachzuweisen. Sobald Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, werden sie geteilt, weitergeleitet und verbreitet – auch von Menschen, die sich möglicherweise nicht bewusst sind, dass es sich um erfundene, aus dem Kontext gerissene, oder manipulierte Informationen handelt. Die Folgen dieser Dynamik sind vielschichtig und tragen dazu bei, das Vertrauen in allen Bereichen zu untergraben: Vertrauen in die Medien, in Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und in wissenschaftliche Erkenntnisse, in die Bedeutung und Sicherheit von Wahlprozessen und vielem mehr. Bis zu einem gewissen Grad ist solch gezielte Desinformation illegal und kann mit Argumenten der Einmischung aus dem Ausland, der öffentlichen Sicherheit oder der nationalen Sicherheit eingeschränkt werden. In anderen Bereichen wird das Bild jedoch unscharf – dazu gehören geschlechtsspezifische und klimabezogene Desinformation.

    Sowohl geschlechtsspezifische Desinformation als auch Klima-Fehlinformationen berühren Themen, die eng mit gesellschaftlichen Werten, der Offenheit von Menschen für Veränderungen und Vorstellungen von Fortschritt und Wandel verbunden sind. Diese Veränderungen lösen oft emotionale Reaktionen aus, was beide Bereiche besonders anfällig für Desinformationskampagnen macht, die versuchen, Zwietracht zu säen, Menschen zu spalten, und den Fortschritt zu verlangsamen.

    Digitale Plattformen stellen einen zunehmend konfliktträchtigen Raum dar, in dem Frauen, nicht-binäre oder gendervariante Menschen und Randgruppen unverhältnismäßig stark angegriffen und schikaniert werden. Dies hat zur Folge, dass Frauen* digitale Räume verlassen und auf ihr Grundrecht auf Teilnahme am zivilen und politischen Leben verzichten. Koordinierte Desinformationskampagnen richten sich zwar auch gegen Männer, aber die Art und der Modus Operandi der Kampagnen gegen Frauen und sexuelle Minderheiten sind eindeutig geschlechtsspezifisch. Dies geht einher mit der Erkenntnis, dass die Zielscheiben geschlechtsspezifischer Desinformation sich überschneidende Identitäten haben und die am meisten gefährdeten Personen oft aus mehreren Gründen ins Visier genommen werden.

    In ähnlicher Weise erfordert die Klimakrise eine gesamtgesellschaftliche Antwort – und sie stellt die traditionellen Macht- und Profitverhältnisse in Frage. Versuche, die Notwendigkeit des Handelns zu verlangsamen, zu entmutigen und zu leugnen, gibt es schon seit Jahrzehnten. Sogar der Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) betont, dass Fehlinformationen, die die Klimawissenschaft untergraben und Risiken außer Acht lassen, dringende Maßnahmen zur Bekämpfung des vom Menschen verursachten Klimawandels verzögern. Vor diesem Hintergrund nutzen bestimmte Akteur:innen diese Spannungen aktiv aus, um demokratische Debatten weiter zu polarisieren und zu spalten, indem sie Emotionen instrumentalisieren: Insbesondere die Panik derjenigen, die auf schnellere und entschiedenere Klimaschutzmaßnahmen drängen, sowie auf die Verzweiflung derjenigen, die einfach so weitermachen wollen wie bisher.

    Beide Themen sind zum Symbolbild für die Spaltung der Gesellschaft geworden – und damit zu einem lukrativen Reibungspunkt für Desinformationskampagnen. Wir müssen die Dynamik und die Muster verstehen, die hier im Spiel sind, um besser in der Lage zu sein, Lösungen und Ideen für belastbarere Debatten und Fortschritte bei beiden Themenfelder zu entwickeln.

  • 2. Über die Regulierung hinaus: das Muster verstehen und angemessen reagieren

    Lassen Sie uns zunächst einen genaueren Blick auf das werfen, was wir unter geschlechtsspezifischer und Klima-Desinformation verstehen:

    Der Begriff Klima-Fehlinformationen bezieht sich auf die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen über den Klimawandel, seine Ursachen, Auswirkungen, und mögliche Lösungen. Solche Informationen gelten als Fehlinformationen, wenn sie unwissentlich verbreitet werden, was aufgrund von Missverständnissen, Fehlinterpretationen wissenschaftlicher Daten oder der Verbreitung veralteter oder fehlerhafter Forschungsergebnisse geschehen kann. Klimadesinformation hingegen ist die absichtliche Verbreitung falscher oder irreführender Informationen über den Klimawandel, um die Meinung oder das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu täuschen bzw. zu manipulieren. Der Klimawandel, der in erster Linie durch menschliche Aktivitäten wie die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Abholzung der Wälder verursacht wird, stellt eine der größten Herausforderungen für unseren Planeten dar. Die Klimawandel-Desinformation zielt jedoch darauf ab, die Tragweite des Klimawandels kleinzureden, den wissenschaftlichen Konsens zu ignorieren und kollektive Maßnahmen zur Eindämmung seiner Auswirkungen zu verhindern.

    In einem Impuls vom Oktober 2022 hat Cathleen Berger es so formuliert: „In der Vergangenheit kam die Fehlinformation über den Klimawandel oft in Form von offener Leugnung des Klimawandels. Im Laufe der Zeit hat sich dies auf verschiedene Verzögerungstaktiken verlagert, wie z.B. ‚Klimamaßnahmen sind eine Bedrohung für unsere Wirtschaft oder nationale Sicherheit‘, ‚ein wärmeres Klima bedeutet längere landwirtschaftliche Perioden‘, ‚erneuerbare Energien sind unzureichend/unzuverlässig‘ usw. […] Die Komplexität der Herausforderung wird genutzt, um mit dem Finger auf ein anderes Teil des Puzzles zu zeigen, bevor man die Verantwortung für den eigenen Beitrag übernimmt – ein Phänomen, an dem mehr Akteure beteiligt sind, als man hoffen und vielleicht sogar erwarten würde.“

    Berger weiter: „Die Folgen der Fehlinformation über den Klimawandel sind weitreichend und betreffen sowohl heutige als auch zukünftige Generationen. Verzögertes oder unzureichendes Handeln als Reaktion auf die Klimakrise bedroht globale Ökosysteme, verschlimmert Naturkatastrophen und verschärft sozioökonomische Ungleichheiten. Fehlinformationen untergraben das Vertrauen der Öffentlichkeit in die wissenschaftliche Expertise, behindern die politische Entscheidungsfindung und behindern die Umsetzung effektiver Lösungen für die Klimakrise. Infolgedessen wird die Bewältigung der Krise und der Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft immer schwieriger.“

    Geschlechtsspezifische Desinformation bezieht sich auf die Verbreitung falscher, ungenauer oder voreingenommener Informationen gegen Frauen* und anderer gendervarianter Menschen. Dazu gehören die Verzerrung von Fakten, die Aufrechterhaltung von Stereotypen und die Förderung schädlicher Erzählungen über Geschlechtsidentitäten, -ausdrücke und -erfahrungen oder persönliche Angriffe gegen einzelne Frauen* oder andere nichtkonforme Geschlechter. Darüber hinaus berühren geschlechtsspezifische Desinformationen oft Fragen der sexuellen Gesundheit, wie z.B. die Verbreitung von Desinformationen über Abtreibungen, die die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen untergraben. Diese Art von Fehlinformation kann sich in verschiedenen Formen manifestieren, einschließlich, aber nicht beschränkt auf irreführende Statistiken, gefälschtes oder nicht einvernehmlich verbreitetes pornografisches Material, Drohungen und ähnlich gewalttätige Inhalte. Geschlechtsspezifische Desinformation ist ein weit verbreitetes Problem.

    Die Auswirkungen dieser Art von Desinformation sind gravierend. Geschlechtsspezifische Desinformation untergräbt die Inklusivität der demokratischen Institutionen und stellt ein Sicherheitsrisiko dar, da sie zu Online- und Offline-Gewalt führen kann. Diese schädliche Praxis hat nachteilige Auswirkungen auf große Teile der Weltbevölkerung, da Frauen sich oft gezwungen sehen, sich aus dem öffentlichen Diskurs zurückzuziehen, Selbstzensur zu betreiben und von Karrieren in der Politik und anderen traditionell von Männern dominierten und/oder öffentlichen Bereichen abzusehen. Die geschlechtsspezifische Desinformation hat die sexuellen und reproduktiven Rechte in verschiedenen Ländern, nicht nur in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, eindeutig untergraben. Und dennoch sind ihre Formulierungen oft durch die Meinungsfreiheit geschützt und daher rechtmäßig.

    Mit anderen Worten: Desinformationskampagnen, die auf Themen des gesellschaftlichen Fortschritts und Wandels abzielen, erfordern Gegenstrategien und -taktiken auf allen Ebenen: rechtlich, gesellschaftlich, unternehmerisch, und zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen.

    Vor diesem Hintergrund haben wir die folgenden Hypothesen als Gesprächsanregung aufgestellt:

    • Regulierung wird nicht in der Lage sein, geschlechtsspezifische und klimabezogene Desinformationen in ausgewogener, rechterespektierender Weise anzugehen. Wir müssen das zivile Engagement fördern, unterstützen und ausweiten und eine Vielzahl von Taktiken erkunden, um ein gesundes Informationsökosystem zu gewährleisten.
    • Beide Themen stehen im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wandel und haben, wenn sie in einem lokalen oder nationalen Kontext angegangen werden, Spillover-Effekte mit globalen und langfristigen Folgen. Die Identifizierung und Unterstützung von Strukturen und Taktiken, die eine zwischengemeinschaftliche Zusammenarbeit fördern und die Stimme von Randgruppen stärken, ist im Interesse aller entscheidend.

    Dies wirft drei wichtige Fragen auf, die wir im Folgenden betrachten werden:

    • Wie können wir zivilgesellschaftliches Engagement gegen geschlechtsspezifische und klimabezogene Desinformationen erfolgreich gestalten und verbessern?
    • Welche Rolle spielen die verschiedenen Interessengruppen wie Regierungen, Medien, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Unternehmen und andere bei der Bewältigung dieser Herausforderungen und welche erfolgreichen Beispiele eignen sich für eine Ausweitung?
    • Über den nationalen Kontext hinaus: Wie können wir dieses Thema auf globaler Ebene angehen, auch mit einem Schwerpunkt auf der Hervorhebung ihrer Bedeutung für die Resilienz von Demokratien?

    2.1 Die (begrenzten) Möglichkeiten der Regulierung

    Die Frage „Wie können wir das zivile Engagement gegen geschlechtsspezifische und klimabezogene Desinformationen erfolgreich gestalten und unterstützen?“ ist schwieriger zu beantworten, als man auf den ersten Blick meinen könnte. In unseren Überlegungen und im Austausch mit Expert:innen drifteten die Gespräche immer wieder zu den Rollen und Verantwortlichkeiten der staatlichen Akteur:innen ab. Die Gesetzgebung zu diesem Thema mag eine Herausforderung sein, aber viele, die seit Jahren in diesem Bereich arbeiten, sind der Meinung, dass dies entscheidend ist, um die gefährlichen Auswirkungen von Klima- und geschlechtsspezifischer Desinformation einzudämmen.

    Staaten tragen die Hauptverantwortung für den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, auch im digitalen Umfeld. Die Dinge können jedoch kompliziert werden, wenn die Grundfreiheiten im Widerspruch zueinanderstehen: Eine positive Schutzverpflichtung darf nicht zur Verletzung anderer Menschenrechte führen (negative Verpflichtung). Jeder Eingriff ist daher ein Balanceakt, der im jeweiligen Kontext sorgfältig bewertet werden muss. Staaten müssen versuchen, dieser Verpflichtung nachzukommen, indem sie auch in digitalen Räumen ein rechtssicheres Umfeld schaffen – durch ihre eigenen Gesetze und durch die Überwachung der Regeln und Bedingungen großer sozialer Plattformen.

    Digitale Räume werden auf verschiedenen Ebenen reguliert: internationales Recht, nationale Gesetzgebung, regionale Standards und die Regeln der Plattformen. Wenn es darum geht, von staatlichen Akteur:innen verbreitete Desinformationen zu verbieten oder zu verfolgen, gibt es klare rechtliche Grenzen: Herkunft, Absicht, Ziel und Inhalt müssen alle in ihrem spezifischen Kontext bewertet werden. Desinformationen über Personen können verboten werden, wenn sie falsche Aussagen enthalten, nicht nur Meinungen. Beleidigung und Verleumdung können als Straftaten verfolgt werden. Neue Vorschriften, die das Recht auf die Verbreitung von Unwahrheiten einschränken wollen, müssen jedoch mit dem Recht der Meinungsfreiheit vereinbar sein.

    Zwischen dem Schutz von Gemeingütern und individuellen Freiheiten und der Einschränkung dieser Rechte im weiteren Sinne verläuft ein schmaler Grat. Klare Grenzen zu ziehen und bestimmte Fälle von Fehlinformationen zu identifizieren, kann eine Herausforderung sein, insbesondere im Kontext der sich rasant entwickelnden Online-Umgebungen. Dazu gehört auch das Problem, dass es so etwas wie „die eine einzige Wahrheit“ nicht gibt. Es ist sehr riskant, den öffentlichen Diskurs über die Wahrheit nur der Macht von Staaten zu überlassen, den demokratischen und mit Sicherheit den autokratischen: Die Wahrheit darf nicht von den Mächtigen definiert werden. Gesellschaftlicher Diskurs und Fortschritt hängen von einer Vielzahl von Perspektiven ab, die alle Facetten eines Arguments liefern. Diese Herausforderung wird in digitalen Räumen noch verschärft, da die schiere Menge an Inhalten, die auf Online-Plattformen geteilt werden, sowohl die Überwachung als auch die Durchsetzung von Regeln – sowohl rechtlicher als auch privater Art – erschweren kann.

    Das Verbot oder die Sperrung von Inhalten hat also sowohl rechtliche als auch praktische Grenzen. Jedoch hat das Instrumentarium der Gesetzgebung und der Regeln zur Inhaltsmoderation noch viel mehr zu bieten. Unter anderem wurden die folgenden Beobachtungen und Vorschläge diskutiert:

    • Transparenzpflicht: Um Orientierungshilfe geben und Lösungen entwickeln zu können, ist es entscheidend, dass sehr große Online-Plattformen (Very Large Online Platforms – VLOPs) transparent Informationen darüber bereitstellen, wie Inhalte geteilt, verstärkt und moderiert werden. Wenn sensationslüsterne oder emotionale Inhalte für Klicks und Aufmerksamkeit gefördert werden, kann dies schädliche Narrative nähren, die oft in Desinformationskampagnen reproduziert werden. Forscher:innen, die Zivilgesellschaft und Gesetzgeber:innen müssen in der Lage sein, Entscheidungen zur Moderation von Inhalten sowie algorithmische Filter und Dynamiken und koordinierte Muster zu verstehen, um eine ausgewogene Bewertung der Menschenrechte durchzuführen.
    • Strukturen zur Mitgestaltung von Politik: Insbesondere, wenn es um geschlechtsspezifische und Klima-Desinformation geht, ist die Palette der Akteure, die solche Kampagnen aufrechterhalten, beunruhigend breit. Der gesellschaftliche Fortschritt und die Herausforderungen des Wandels haben vielfältige Machtstrukturen und Gruppen hervorgebracht, die bereit sind, Veränderungen ihrer Macht oder ihres Einflusses in verschiedenen Kontexten zu stoppen, zu verlangsamen oder davon abzulenken: rechtsextreme, konservative oder religiöse Gruppen, die fossile Brennstoffindustrie, das Militär, hochprivilegierte Personen und andere. Das Ziel kann nicht sein, solche großen Teile der Gesellschaft zu zensieren. Vielmehr müssen Strukturen geschaffen werden, die eine Mitgestaltung, ein Engagement und eine Vermittlung ermöglichen. Ob durch Bürgerräte, Multi-Stakeholder-Formate oder gemeinschaftsgetriebene Politikentwicklung – es gibt eine ganze Reihe von Optionen, die Fortschritt statt Rückschritt ermöglichen.
    • Finanzielle Anreize: Die Regulierung kann die Verantwortung von Unternehmen auch durch eine Reihe von anderen Verpflichtungen ansprechen. So kann beispielsweise die Berichterstattung über Umwelt-, Sozial- und Governance-Richtlinien (ESG) vorgeschrieben, Werbung kann eingeschränkt werden (man denke an Tabak, Alkohol oder Pornos), Investitionen können durch soziale oder ökologische Indikatoren eingeschränkt und auch Lieferketten können überwacht werden. All diese und andere Maßnahmen zielen darauf ab, Anreize für verantwortungsvolle, statt herkömmlich profitgetriebene Entscheidungen zu schaffen – und können dazu beitragen, den gesellschaftlichen Fortschritt zu fördern.

    Diese Beobachtungen und Vorschläge haben alle eines gemeinsam: Sie verteilen die Verantwortung und fordern ein gemeinsames Handeln der verschiedenen Interessengruppen. Deshalb haben wir uns als Nächstes die aktuellen Trends und bewährten Praktiken dieser verschiedenen Interessengruppen angesehen.

    2.2 Jeder trägt Verantwortung: Aktuelle Trends und bewährte Praktiken

    Was wir bisher gelernt haben, ist, dass die vielschichtige Natur der geschlechtsspezifischen und klimabezogenen Desinformation die Einbeziehung verschiedener Akteur:innen sowie eine bessere Zusammenarbeit zwischen ihnen erfordert. Im Folgenden sind beobachtete Trends und bewährte Praktiken sowie entsprechende Vorschläge für weitere Verbesserungen aufgeführt:

    • Regierungen: Staatliche Akteure spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Bereitstellung des rechtlichen Rahmens und der entsprechenden Maßnahmen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer und Klima-Desinformation. Wie bereits erwähnt, ist es jedoch wichtig, dass sich die Regulierung nicht auf die Einschränkung der Redefreiheit konzentriert, sondern stattdessen Anreize für Veränderungen in Bezug auf Transparenz und Rechenschaftspflicht schafft. Dies könnte Regulierungsbemühungen zu ökologischen, sozialen und staatlichen Aspekten sowie zu Finanzinstrumenten und partizipativen Praktiken umfassen. Wenn auch kontrovers diskutiert, wurden Beispiele wie das Gesetz über digitale Dienste und die europäische Verordnung zur Nachhaltigkeit von Unternehmen als Schritte in die richtige Richtung genannt.
    • Medien: Der Journalismus befindet sich in einer komplexen und herausfordernden Lage, da er einerseits mit der Aufgabe konfrontiert ist, Desinformation zu bekämpfen, und andererseits mit seinen eigenen strukturellen Herausforderungen innerhalb der Medienbranche zu kämpfen hat: Erosion des öffentlichen Vertrauens, finanzieller Druck usw. Darüber hinaus beobachten wir einen Mangel bei der Darstellung verschiedener Stimmen und Perspektiven, insbesondere von marginalisierten Gruppen, was in manchen Kontexten auch zur weiteren Verbreitung von Klima- oder geschlechtsspezifischen Desinformationen beitragen kann. Die Verantwortung der Medien umfasst die Bereitstellung einer genauen, verständlichen und unvoreingenommenen Berichterstattung. Fact-Checking-Initiativen, eine verstärkte Präsenz in digitalen Bereichen sowie der Versuch, mehr Wissenschaftsjournalist:innen auszubilden, haben sich als wirksame interne Maßnahmen der Medien erwiesen. Darüber hinaus arbeiten verschiedene Medien mit externen Fact-Checking-Initiativen und unabhängigen Forscher:innen zusammen, was zur Glaubwürdigkeit der Nachrichtenberichterstattung beiträgt.
    • Unternehmen und Social Media-Plattformen: Als Anbieter:innen von digitalen Räumen und Kommunikationsinfrastrukturen spielen Plattformen eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Desinformationskampagnen. Auch sie müssen einen Spagat meistern – zwischen der Freiheit der Meinungsäußerung und der Mäßigung von Inhalten, wie sie von ihren Nutzer:innen und/oder ihrer Gemeinschaft definiert werden. Grundsätzlich haben Plattformen das Recht auf und die Verantwortung für die Regulierung von Inhalten, einschließlich der möglichen Entfernung gemäß ihren Nutzungsbedingungen und Community-Richtlinien. Ab einer gewissen Größe sind Plattformen jedoch in der Regel dazu verpflichtet, den Nutzer:innen nach der Löschung von Inhalten Rechtsmittel zur Verfügung zu stellen. Wenn es um geschlechtsspezifische und Klima-Desinformation auf Plattformen geht, werden die Inhalte oft als schlimm, aber rechtmäßig angesehen – was bedeutet, dass sie normalerweise nicht sofort gelöscht werden. Das Gesetz über digitale Dienste (DSA) schreibt ein gewisses Maß an Maßnahmen gegen solche Inhalte vor, wenn sie eine Gefahr für die Demokratie darstellen. Darüber hinaus sind soziale Plattformen verpflichtet, eine verantwortungsvolle Plattform Governance zu entwickeln, einschließlich der Umsetzung der folgenden Maßnahmen:
    1. Algorithmische Eingriffe: Soziale Plattformen können Algorithmen verwenden, um potenziell falsche oder irreführende Inhalte zu erkennen und deren Sichtbarkeit zu verringern. Durch eine Analyse der Nutzer:inneninteraktion und des Nutzer:innenverhaltens können Algorithmen glaubwürdige Quellen bevorzugen und Inhalte, die möglicherweise Desinformationen enthalten, herunterstufen oder kennzeichnen.
    2. Partnerschaften zur Faktenüberprüfung: Indem sie mit Fact-Checking-Organisationen zusammenarbeiten, können sich soziale Plattformen in der Identifizierung und Kennzeichnung von Desinformationen auf die Analyse von Expert:innen verlassen. Solche Partnerschaften sind eine sinnvolle Hilfe in der Versorgung der Nutzer:innen mit akkuraten Informationen und Zusammenhängen und tragen dazu bei, das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit von Quellen zu stärken.
    3. Warnhinweise und kontextbezogene Informationen: Plattformen können Warnhinweise hinzufügen oder Kontextinformationen zu den als potenziell falsch gekennzeichneten Inhalten bereitstellen. Dies hilft Nutzer:innen, die Informationen, auf die sie stoßen, besser zu beurteilen.
    4. Die Verbreitung von Desinformationen eindämmen: Soziale Plattformen können die Verbreitung von Desinformationen eindämmen, indem sie die Möglichkeit einschränken, Beiträge, die als falsch identifiziert wurden, zu teilen oder zu fördern. Diese Maßnahme soll verhindern, dass Desinformationen viral gehen oder sich schneller verbreiten, als sie widerlegt werden können.
    5. Community-Meldungen: Wenn Nutzer:innen ermutigt werden, verdächtige oder falsche Inhalte zu melden, werden Gemeinschaften in die Lage versetzt, aktiv an der Identifizierung und Bekämpfung von Desinformation mitzuwirken. Gleichzeitig wird das allgemeine Bewusstsein und Vertrauen in das Informationsökosystem gestärkt.
    6. Transparenz und Rechenschaftspflicht: Die Plattformen müssen ihre Politik zur Moderation von Inhalten und ihre Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformationskampagnen transparent machen. Der öffentliche Austausch von Informationen über die Maßnahmen, die gegen Desinformation ergriffen werden, fördert die Rechenschaftspflicht und schafft Vertrauen bei den Nutzer:innen, insbesondere wenn es um technische, politische und moderierende Maßnahmen geht.
    7. Investition in die Moderation von Inhalten: Die Moderation von Inhalten ist immer noch eine Aufgabe, die hauptsächlich von Menschen ausgeführt wird, die oft unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten. Social Media Plattformen sollten mehr finanzielle Mittel investieren und die Arbeitsbedingungen verbessern, um die Bedeutung dieser Aufgabe anzuerkennen.
    • Wissenschaft: Forschungseinrichtungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Untersuchung und Bereitstellung von faktengestützten Erkenntnissen über die Verbreitung von Desinformationen, die in politische Entscheidungen und den öffentlichen Diskurs einfließen können und sollen, einschließlich der Themen geschlechtsspezifische und Klima-Desinformation. Die Zusammenarbeit zwischen akademischen Einrichtungen und anderen Interessengruppen erleichtert den Wissensaustausch und die Entwicklung fundierter Strategien. Akademische Einrichtungen können zur Vermittlung von Medienkompetenz und kritischem Denken beitragen, indem sie diese Themen in ihre Lehrpläne integrieren. Darüber hinaus verbessern Programme zum Kapazitätsaufbau für Journalist:inneen, politische Entscheidungsträger:innen und zivilgesellschaftliche Organisationen deren Fähigkeit, gegen geschlechtsspezifische und Klima-Desinformation vorzugehen.
    • Zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs): Zivilgesellschaftliche Organisationen spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, sich für die Gleichstellung der Geschlechter und den Klimaschutz einzusetzen und Desinformationen entgegenzuwirken. Durch Aufklärungskampagnen schärfen sie das öffentliche Bewusstsein, stellen Stereotypen in Frage und verbreiten fundierte Informationen. Grassroots-Organisationen beziehen Gemeinschaften direkt ein und verstärken ihre Stimmen. Zivilgesellschaftliche Akteur:innen können Fälle von geschlechtsspezifischer und klimabezogener Desinformation überwachen und melden und die Beteiligten zur Rechenschaft ziehen. Sie arbeiten dabei mit Faktenprüfer:innen zusammen, führen unabhängige Untersuchungen durch und stellen Plattformen zur Verfügung, die über Fälle von Desinformation berichten und diese dokumentieren. Solche Initiativen tragen dazu bei, eine solide, evidenzbasierte Darstellung zu schaffen, und sind von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung ausgewogener politischer Lösungen.

    Kein einzelner Akteur und kein: einzelne:r Interessenvertreter:in kann allein gegen Desinformation vorgehen. Jede:r hat eine Rolle zu spielen – und alle Akteur:innen müssen sich in koordinierten Bemühungen engagieren. Gegenmaßnahmen können nur dann wirksam sein, wenn alle zusammenarbeiten und die Risiken auf einer systemischen und nicht auf einer individuellen Ebene angegangen werden. Andernfalls werden selbst vielversprechende oder bewährte Praktiken nicht ausreichen, um zu skalieren und somit mit der Breite, Reichweite und Durchdringung von Desinformationskampagnen zu konkurrieren.

    Auch kann nicht genug betont werden, wie wichtig positive Gegendarstellungen sind, die die Menschen auf einer emotionalen Ebene dabei unterstützen, Wandel und Fortschritt zu akzeptieren, sowie die Unterstützung von Personen, die von geschlechtsspezifischen und/oder Klima-Desinformationen betroffen sind – sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene.

    2.3 Lokaler Fortschritt, globale Auswirkungen?

    In den meisten unserer Gespräche und Überlegungen wurde die Spannung sowie die gegenseitige Verstärkung von lokaler und globaler Ebene deutlich. Und diese Spannung wirkt auf allen Ebenen weiter. Wir gingen von der Hypothese aus, dass geschlechtsspezifische und Klima-Desinformation mit gesellschaftlichem Wandel zusammenhängen und dass, wenn sie in einem lokalen oder nationalen Kontext angegangen werden, die Spillover-Effekte globale und langanhaltende Folgen haben werden. Diese Meinung, wenngleich nicht so eindeutig, scheint weit verbreitet zu sein.

    Solide Demokratien müssen – vorsichtig, aber selbstbewusst – als Wegweiser bei der Bereitstellung von Gesetzesvorlagen für Transparenzanforderungen, Sorgfaltspflichten und die Rechenschaftspflicht von Plattformen fungieren. Zwar teilten die Teilnehmer:innen ihre Bedenken über fehlgeleitete und unverhältnismäßige Copy-and-Paste-Bemühungen von Anti-Hate-Speech- und Desinformationsgesetzen wie dem deutschen NetzDG aus dem Jahr 2017 durch weniger demokratische oder autokratische Länder, aber es gab einen klaren Konsens, dass Regulierungsbemühungen in Demokratien von Vorteil sein können. Wichtig ist jedoch, dass die Strafverfolgungsbehörden ausreichend geschult und ausgerüstet sind, um ohne Untergrabung von Verschlüsselung, Privatsphäre und Anonymität zu arbeiten.

    In Anbetracht des anhaltenden Drucks auf (und des daraus resultierenden Verfalls von) demokratisch organisierten Gesellschaften bieten ziviles Engagement und Unterstützungsstrukturen weiterhin sichere Räume, in denen integrative Darstellungen und Argumente, die regressiven Tendenzen entgegenwirken, entstehen können. Solche Unterstützungsstrukturen sind für jede:n, die/der von Desinformationskampagnen betroffen ist, von grundlegender Bedeutung. Auf lokaler Ebene kann dies bedeuten, dass das persönliche Netzwerk aufgerufen wird, um auf Posts zu reagieren oder Nachrichten stellvertrend vorzufiltern. Auf globaler Ebene kann sich dies durch internationale Solidarität oder durch eine stärkere Sichtbarkeit von Randgruppen manifestieren.

    Entscheidend für die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer und Klima-Desinformation ist es, Gemeinschaften zu befähigen, Gegendarstellungen im eigenen Kontext zu verankern und ihre eigenen Initiativen zu leiten. Oftmals ermöglichen Ressourcen, Schulungen und Unterstützung für Grassroots-Initiativen gezielte Interventionen und fördern das Gefühl der Eigenverantwortung unter den Mitgliedern der Gemeinschaft. Erfolgreiche Bemühungen, auch wenn sie kontextabhängig sind, können dann in andere Gemeinden und Regionen übertragen werden und wertvolle Erkenntnisse und Ideen liefern. Daher ist eine internationale Zusammenarbeit, die es ermöglicht, lokale bewährte Verfahren zu diskutieren und mit der internationalen Gemeinschaft zu teilen, unerlässlich.

    2.4 Beobachtungen und Empfehlungen zum erfolgreichen Umgang mit Klima- und geschlechtsspezifischer Desinformation

    Klima- und geschlechtsspezifische Desinformation sind akute Themen, die erhebliche Folgen für Einzelpersonen, Gesellschaften und unseren Planeten haben. Sie behindern Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter, der nachhaltigen Entwicklung und wirksamen Klimaschutzmaßnahmen und untergraben vor allem die Demokratie insgesamt – sowohl kurz- als auch langfristig. Die Komplexität dieser Herausforderungen und die Grenzen der Regulierungsbemühungen erfordern einen vielschichtigen Ansatz, mit diversen Interessengruppen und kontinuierlicher Zusammenarbeit. Die Bekämpfung von Klima- und geschlechtsspezifischer Desinformation ist nicht in erster Linie eine rechtliche, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe. Auf der Grundlage unseres Austauschs mit Expert:innen sowie unserer eigenen Beobachtungen möchten wir eine Reihe von Empfehlungen für den zukünftigen Umgang mit Klima- und geschlechtsspezifischer Desinformation vorlegen:

    • Gesetzliche Regulierung ist ein Teil der Lösung, aber nicht die einzige: Gesetzliche Maßnahmen zum Umgang mit Desinformation müssen fest in einen menschenrechtlichen Rahmen eingebettet sein und Maßnahmen auf anderen Ebenen ergänzen. Anders ausgedrückt: Ein verantwortungsvoller rechtlicher Rahmen für den Umgang mit Klima- und Gender-Desinformation geht einher mit den Maßnahmen und Instrumenten, die den Unternehmen, den Medien, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und anderen zur Verfügung stehen. Zu den nützlichen regulatorischen Bemühungen gehören verpflichtende Transparenz, Umwelt-, Sozial- und Governance-Verpflichtungen sowie Formate zur Mitgestaltung der Politik.
    • Anreize für globale Zusammenarbeit und Allianzen: Ebenso wie digitale Räume und Infrastrukturen überschreiten Desinformationen oft nationale Grenzen. Die Umsetzung wirksamer Maßnahmen zum Umgang mit Desinformation erfordert daher internationale Zusammenarbeit und zuverlässige, sektorübergreifende Allianzen.
    • Sensibilisierung und Medienkompetenz: Es ist wichtig, von einer sich ständig weiterentwickelnden Desinformationslandschaft zu lernen und sich an sie anzupassen. Dies erfordert Fähigkeiten und Kompetenztraining in den Bereichen Medien-, Informations- und Digitalkompetenz. Allerdings, und das muss betont werden, stößt dies an seine Grenzen, da gezielte Desinformationskampagnen oft auf kontroversen Themen, emotionalisierten Diskursen, Angst und Verwirrung aufbauen – Elemente, denen nicht einfach mit Fakten (oder Bildung) begegnet werden kann. Die Ursachen für diese Probleme liegen daher oft in aktuellen, sozialen oder ökologischen Herausforderungen, die nicht allein mit digitalen Kompetenzen gelöst werden können.
    • Mehr Ressourcen für demokratiestärkende Bemühungen und Akteure – online und offline: Beobachtungen rund um geschlechtsspezifische und Klima-Desinformation haben gezeigt, wie sehr beide mit tief verwurzelten sozialen Fragen und Konzepten des Fortschritts verknüpft sind. Und dies sind nur zwei von vielen Themen, die ins Visier genommen und instrumentalisiert werden, um die Demokratie zu schwächen, die Gesellschaft zu spalten und Fortschritt und Wandel zu behindern. Folglich sollten Bemühungen, die darauf abzielen, demokratische Gesellschaften online und offline zu stärken, in ein nachhaltiges System eingebettet sein, das ihnen ein effizientes Arbeiten ermöglicht. Das gilt auch für die Akteur:innen: Die Verantwortung und die Rolle der Medien bei der Bekämpfung jeglicher Art von Desinformation ist von entscheidender Bedeutung – dies erfordert, dass Qualitätsjournalismus mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet wird und Journalisten sicher und geschützt ihre Arbeit verrichten können.
    • Anreize für die Selbstregulierung von Plattformen: Plattformen sollten Mechanismen zur Erkennung und Kennzeichnung schädlicher Kampagnen einrichten und ihre eigenen Nutzungsbedingungen durchsetzen, um effektiv gegen geschlechtsspezifische oder Klima-Desinformation vorzugehen. Sie können ermutigt werden, proaktiv gegen Desinformation vorzugehen, indem sie Anerkennung und Belohnungen für die Aufrechterhaltung ihres Rufs anbieten. Darüber hinaus kann die Förderung gemeinsamer Anstrengungen durch öffentlich-private Partnerschaften sowie die Einbeziehung der Nutzer:innen in die Moderation von Inhalten zu einem effektiveren und transparenteren Ansatzim Umgang mit Desinformation auf Plattformen beitragen.
    • Inhaltsmoderation: Eine wirksame Moderation von Inhalten spielt eine entscheidende Rolle im Umgang mit digitaler Desinformation. Transparenz bei der Definition von Desinformation durch klare Richtlinien ist für die genaue Bewertung von Inhalten unerlässlich. Der Einsatz von fortschrittlicher Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellen Lernwerkzeugen kann die Effizienz bei der Identifizierung und Kennzeichnung von Falschinformationen erheblich verbessern, auch wenn die Moderation von Inhalten nach wie vor eine Aufgabe ist, die hauptsächlich von Menschen ausgeführt wird. Daher ist die Zusammenarbeit mit seriösen Fact-Checking-Organisationen von entscheidender Bedeutung, da sie die Genauigkeit und Glaubwürdigkeit der Inhalte sicherstellt. Darüber hinaus ist es wichtig, sich auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Moderator:innen von Inhalten zu konzentrieren und die Berichterstattung der Nutzer:innen zu fördern, um die Gesamteffektivität der Moderation von Inhalten zu erhöhen.
    • Erfolgreiche, positive Beispiele unterstützen und fördern: Bei unseren Recherchen und Gesprächen sind wir auf eine Vielzahl großartiger Initiativen gestoßen, die alle eine breitere Sichtbarkeit und Unterstützung verdienen. Initiativen können von Verstärkung, finanziellen Ressourcen, Freiwilligen oder zusätzlicher Zusammenarbeit profitieren. Zu den wiederholt hervorgehobenen Beispielen gehören HateAid und das International Fact Checking Network (IFCN).

    Nach all diesen Ausführungen haben wir uns immer noch nicht mit der Dynamik und den Auswirkungen von geschlechtsspezifischer und klimabezogener Desinformation auf Wahlprozesse beschäftigt. Diese Aspekte werden sicherlich in unserem nächsten Beitrag eine Rolle spielen, in dem wir uns mit den bevorstehenden EU-Wahlen im Jahr 2024 befassen und fragen werden, ob und wie wir den Diskurs auf sozialen Plattformen heute stärken können, um die Prozesse von morgen zu schützen.

  • 3. Vertiefende Auseinandersetzung mit Klima-Fehlinformationen und geschlechtsspezifischer Desinformation

    Im Folgenden findet sich eine Übersicht empfohlener Lektüre zum Thema Klima-Fehlinformation und geschlechtsspezifische Desinformation – und wir nehmen auch gerne weitere Hinweise entgegen.

    • Cathleen Berger untersucht das weit verbreitete Problem der klimabezogenen Fehlinformation, die von unserer Verantwortung ablenkt und wirksame Klimaschutzmaßnahmen behindert. Trotz dieser Herausforderung geben das wachsende Bewusstsein und die anhaltende öffentliche Unterstützung Hoffnung auf einen erfolgreiche grüne Transformation: We “Pledge” action: The delay and diffuse tactics of climate misinformation | ORF (orfonline.org) (Wir “versprechen” zu handeln: Die Verzögerungs- und Diffusionstaktiken der Klima-Fehlinformation) [englisch]
    • Matthias C. Kettemann erörtert die aufkommenden Forderungen nach Interventionen zum Schutz der demokratischen Öffentlichkeit vor digitaler Desinformation mit Schwerpunkt auf Gesetze, Gemeinschaftsstandards und Plattformdesign. (BPB)
    • Forscher:innen um Jessica Colarossi von der Boston University haben ein einjähriges Projekt mit dem Titel “Data and Misinformation in an Era of Sustainability and Climate Change Crises“ (Daten und Fehlinformationen in Zeiten der Nachhaltigkeit und des Klimawandels) durchgeführt, um Fehlinformationen über das Klima zu bekämpfen. Das Projekt untersuchte, wie sich falsche Informationen über den Klimawandel auf Social-Media-Plattformen wie Twitter und Reddit, durch Werbung in den Mainstream-Medien und durch die Sprache, die verwendet wird, um Zweifel an der Dringlichkeit des Klimawandels zu säen, verbreiten. Ziel war es, korrekte Informationen zu fördern und die Überprüfung von Fakten zu unterstützen, um die dringende Klimakrise anzugehen: Tweets, Ads, and Lies: Researchers Are Fighting against Climate Misinformation (Tweets, Werbung und Lügen: Forscher:innen kämpfen gegen Klima-Fehlinformationen) [englisch]
    • Im Rahmen der RightsCon 2021 war das EU DisinfoLab Mitveranstalter eines Community-Treffens, bei dem es um die unverhältnismäßige Schikanierung und Belästigung von Frauen, geschlechtsvarianten Personen und marginalisierten Gruppen auf digitalen Plattformen ging. Zu den Empfehlungen gehörten die Dokumentation der Bedrohung, Frühwarnungen und eine intersektionale Sichtweise, um geschlechtsspezifische Desinformation effektiv zu bekämpfen.: Gender-Based Disinformation: Advancing Our Understanding and Response – EU DisinfoLab (Geschlechtsspezifische Desinformation: Unser Verständnis und unsere Reaktion verbessern) [englisch]
    • Unter dem Titel „Antifeminismus als Gefahr für die Demokratie? Gleichstellung in Zeiten von Rechtspopulismus“ erläutert die Amadeu Antonio Stiftung Strategien rechtsextremer und antifeministischer Akteur:innen und stellt Handlungsempfehlungen vor, um sich gegen Angriffe auf die Gleichstellungsarbeit wehren zu können. Antifeminismus als Demokratiegefährdung?! Gleichstellung in Zeiten von Rechtspopulismus
    • Die Studie „Correcting climate change misinformation on social media: Reciprocal relationships between correcting others, anger, and environmental activism” (Richtigstellung von Fehlinformationen zum Klimawandel in den sozialen Medien: Wechselseitige Beziehungen zwischen dem Korrigieren anderer, Wut und Umweltaktivismus) [englisch] von Isabelle Freiling und Jörg Matthes untersucht die treibenden Kräfte hinter den Korrekturbemühungen in den sozialen Medien zur Bekämpfung der Verbreitung von Fehlinformationen zum Klimawandel. Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass klimawandelbedingte Wut und politischer Umweltaktivismus eine wichtige Rolle bei der Motivation von Personen spielen, andere in sozialen Medien zu korrigieren und dass es wechselseitige Beziehungen zwischen korrigierenden Maßnahmen, Wut und Aktivismus gibt. Die Ergebnisse werfen ein Licht auf die affektive Ebene der Ausdruckseffekte und ihre Auswirkungen auf die Fehlinformationsforschung.
    • Maria Giovanna Sessa beleuchtet die Auswirkungen geschlechtsspezifischer Desinformation auf die demokratische Repräsentation, den mundtot-machenden Effekt, den sie auf Frauen hat und die Notwendigkeit umfassender Maßnahmen, um dieser wachsenden Bedrohung im digitalen Zeitalter zu begegnen: What is Gendered Disinformation? | Heinrich-Böll-Stiftung | Tel Aviv – Israel(Was ist geschlechtsspezifische Desinformation?) [englisch]
    • Lucina Di Meco und Kristina Wilfore heben den Einsatz von geschlechtsspezifischen Desinformationskampagnen hervor, die sich gegen Frauen in der Politik richten und darauf abzielen, ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben und sie von einer Teilnahme abzuhalten. Sie rufen dazu auf, sich mit diesem Problem zu befassen, da es eine nationale Sicherheits- und Außenpolitik erfordert: Gendered disinformation is a national security problem | Brookings (Geschlechtsspezifische Desinformation ist ein Problem der nationalen Sicherheit) [englisch]
    • Der Sonderausschuss zur ausländischen Einmischung in sämtliche demokratischen Prozesse der Europäischen Union, einschließlich Desinformation, und zur Stärkung von Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht im Europäischen Parlament Hearing on “Climate change disinformation” | Hearings | Events | ING2 | Committees | European Parliament (europa.eu)(Anhörung zum Thema „Desinformation zum Klimawandel“) [englisch]
    • Die BBC stellte fest, dass TikTok nur wenige Inhalte entfernt, obwohl diese TikToks Community-Regeln widersprechen und falsche Informationen über die Klimakrise enthalten. The climate change-denying TikTok post that won’t go away – BBC News (Der Klimawandel leugnende TikTok-Post, der einfach nicht verschwinden will) [englisch]
    • In diesem Bericht geben Fabian Klinker und Sven Brüggemann einen ersten systematischen Überblick über die verschiedenen Akteur:innen der Klimabewegung, ihre Online-Präsenzen und ihre öffentliche Kommunikation auf den Plattformen Facebook, Twitter und Instagram: IDZ Jena: Beitrag #6 (idz-jena.de).
    • DeSmogs Klima-Desinformationsdatenbank enthält umfangreiche, durchsuchbare Recherchen zu den Personen und Organisationen, die dazu beigetragen haben, die Öffentlichkeit und gewählte Politiker:innen davon abzuhalten, die notwendigen Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasverschmutzung und zur Bekämpfung der globalen Erwärmung zu ergreifen: https://www.desmog.com/climate-disinformation-database/.
    • Dieses Strategiepapier der Vereinten Nationen vom Juni 2023 befasst sich damit, wie sich Bedrohungen der Informationsintegrität auf den Fortschritt bei globalen, nationalen und lokalen Themen auswirken: our-common-agenda-policy-brief-information-integrity-de.pdf (un.org). [englisch]
  • Teilnehmer:innen der Diskussion am 20. Juli 2023

    Impulsgebende

    • Fabian Klinker, Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena
    • Lucina di Meco, Women’s Rights Advocate und Gründerin von #ShePersisted

    Expert:innen

    • Mauritius Dorn, Institute for Strategic Dialogue
    • Sara Schurmann, Network of Climate Journalism Germany
    • Shmyla Khan, Digital Rights Foundation
    • Sina Laubenstein, Gesellschaft Für Freiheitsrechte
    • Elisa Lindinger, SUPERRR Lab
    • Georgia Langton, Bertelsmann Stiftung
    • Katharina Mosene, Hans-Bredow-Institut

     

    Übersetzung aus dem Englischen von Lara Wagner

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