Herausforderungen durch Desinformation: Die Rolle von Regulierung, Journalismus und Meinungsfreiheit

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Cathleen Berger, Dr. Kai Unzicker

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Im Superwahljahr 2024 sind Artikel, Reportagen und Aufarbeitungen rund um das Thema Desinformation nahezu allgegenwärtig. Immer und immer wieder wird gefragt: Können gezielte Desinformationskampagnen Meinungen manipulieren und Wahlen beeinflussen?

Natürlich stellen wir uns diese Fragen auch. Gleichzeitig wollten wir aber auch wissen, wie sehr wir hier in unserer eigenen „Bubble“ verhangen sind und wie das die breitere Gesellschaft sieht. Die Ergebnisse unserer repräsentativen Umfrage, die wir in unserer Studie „Verunsicherte Öffentlichkeit“ aufgearbeitet haben, sind so beunruhigend, wie sie zum Handeln motivieren.

In einer zunehmend digitalisierten Welt, in der Informationen im Überfluss vorhanden sind und die Grenzen zwischen wahr und falsch oft verschwimmen, ist die Verbreitung von Desinformationen zu einer ernsthaften Bedrohung für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt geworden. Unsere Studienergebnisse führen dies leider sehr deutlich vor Augen: die Sorgen und das Bewusstsein für die Bedrohung von Desinformation sind in der Breite der Gesellschaft, in Deutschland und den USA, angekommen. Eine überwältigende Mehrheit der Befragten betrachtet Desinformation als ernsthaftes Problem für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Insbesondere die Verbindung zwischen Desinformation und politischer Meinungsmanipulation, Einflussnahme auf Wahlen und Spaltung der Gesellschaft wird von den Befragten hervorgehoben.

Vertrauen und Kontroversen im digitalen Raum

Im digitalen Raum hakt es besonders: Es ist besorgniserregend, dass fast die Hälfte der Befragten unsicher ist, ob Informationen im Internet der Wahrheit entsprechen, und ein Drittel in den letzten Monaten Desinformationen wahrgenommen hat. Vor allem in sozialen Medien, aber auch auf Blogs und Nachrichtenseiten sowie in Messengerdiensten wie WhatsApp oder Telegram, nehmen die Befragten Desinformation wahr. Besonders hoch ist das Aufkommen dabei auf TikTok, X (Twitter) und Facebook. Themen wie Einwanderung, Klimakatastrophe, Gesundheit, Krieg aber auch Wahlen stehen dabei besonders im Fokus.

Verursacher bzw. Verantwortliche für die Verbreitung von Desinformationen werden hauptsächlich unter Protestgruppen, Aktivist:innen, Blogger:innen, Influencer:innen und politische Akteur:innen sowohl im In- als auch im Ausland vermutet.

Das Vertrauen in die Medien erweist sich als zentral: Befragte mit niedrigem Medienvertrauen sehen Desinformationen eher als politischen Kampfbegriff und sind anfälliger für deren Wahrnehmung. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, um das Vertrauen in die Medienlandschaft zu stärken und die Resilienz im Umgang mit Desinformation zu erhöhen.

Die USA, Polarisierung und wo sich die deutsche Öffentlichkeit hin entwickeln könnte

Der Vergleich mit den USA zeigt, dass dort die Verunsicherung und die Wahrnehmung von Desinformationen sogar noch ausgeprägter sind. Diskurse sind hier stärker polarisiert und die Wahrnehmung des jeweils anderen politischen Lagers als Aggressor deutlich ausgeprägter. Dies unterstreicht die globale Dimension des Problems und die Notwendigkeit einer länderübergreifenden Zusammenarbeit bei der Bewältigung dieser Herausforderung. Regulierung spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle: Desinformationen müssen erforscht, erkannt und weniger lukrativ werden. Hierfür braucht es mehr Transparenz und Verantwortung auf Seiten der Plattform. Gleichzeitig ist es wichtig, einen ausgewogenen Ansatz zu verfolgen, der Manipulation und falsche Informationen bekämpft, ohne die Meinungsfreiheit zu beeinträchtigen. Das Digitale Dienste Gesetz (DSA) der Europäischen Union könnte hier richtungsweisend sein.

Der Vergleich und unsere Ergebnisse zeigen zudem, wie wichtig es ist, vertrauensvolle und verlässliche Informationsquellen zu stärken. Qualitätsjournalismus, der auf Fakten basiert und verschiedene Perspektiven berücksichtigt, ist ein wirksames Gegenmittel gegen Manipulation und Polarisierung. Journalist:innen müssen einerseits ihre Verantwortung weiterhin wahrnehmen können, Desinformation aktiv zu entlarven und die Öffentlichkeit über deren Auswirkungen zu informieren. Gleichzeitig müssen wir das Medienvertrauen stärken und eine unabhängige und pluralistische Medienlandschaft fördern. Nur so können wir sicherstellen, dass die Bürger:innen verlässliche Informationen erhalten und Desinformation entgegenwirken können. Eine breite, informierte Öffentlichkeit ist die beste Verteidigung gegen Desinformation und Manipulation.

Wie geht es weiter?

Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen auch die Notwendigkeit eines breiten gesellschaftlichen Diskurses darüber, wie Desinformation bekämpft und die politische Debattenkultur verbessert werden kann. Dabei müssen wir sicherstellen, dass Regulierungsmaßnahmen nicht die Meinungsfreiheit einschränken, sondern einen ausgewogenen Schutz vor Manipulation bieten.

Insgesamt ist es von entscheidender Bedeutung, dass politische Parteien, Regierungen, Medien und jede:r Einzelne transparent, seriös und wahrhaftig kommunizieren, um den Raum für Unklarheiten und Unsicherheiten möglichst klein zu halten. Nur so können Desinformationskampagnen effektiv bekämpft und die demokratischen Grundwerte geschützt werden.

Die Studie liefert einen Fundus an repräsentativen Daten. Wer die Verbindungen zwischen Medienvertrauen und politischer Haltung, zwischen der Nutzung einzelner Netzwerke und der Wahrnehmung von Desinformation genauer untersuchen möchte, kann hier viele Indizien finden. Mit Blick auf die Landtagswahlen in mehreren Bundesländern dieses Jahr können hier sicherlich noch gezieltere Handlungsempfehlungen entwickelt werden.

 

Hier geht es zum Download der Studie und hier zur Pressemitteilung.


Cathleen Berger

Cathleen Berger

Co-Lead

Cathleen Bergers berufliche Erfahrung erstreckt sich über verschiedene Sektoren: Wissenschaft, Regierung, Zivilgesellschaft, Unternehmen und Startup. Ihre Arbeit und Forschung konzentrieren sich auf die Schnittstellen zwischen digitalen Technologien, Nachhaltigkeit und sozialer Wirkung. Sie arbeitet derzeit mit der Bertelsmann Stiftung als Co-Leiterin für Upgrade Democracy sowie den Reinhard Mohn Preis 2024 und Senior Expert für Zukunftstechnologien und Nachhaltigkeit. Darüber hinaus, berät und arbeitet sie gelegentlich mit gemeinwohlorientierten Unternehmen und Organisationen an ihren Klima- und sozialen Wirkungsstrategien.

Zuletzt verantwortete sie den B Corporation Zertifizierungsprozess eines jungen Klimastartups, initiierte und leitete Mozillas Nachhaltigkeitsprogramm, arbeitete als Referentin im Koordinierungsstab für Cyber-Außenpolitik im Auswärtigen Amt, als Beraterin mit Global Partners Digital, Forschungsassistentin in der Stiftung Wissenschaft und Politik sowie Gastdozentin an der Friedrich Schiller Universität Jena.

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Dr. Kai Unzicker

Dr. Kai Unzicker

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Dr. Kai Unzicker ist als Senior Project Manager im Programm „Demokratie und Zusammenhalt“ der Bertelsmann Stiftung tätig. Er ist Co-Leiter des Projekts „Upgrade Democracy“, das sich mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung für die Demokratie befasst. Zuvor hat er seit 2011 für die Bertelsmann Stiftung das „Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt“ entwickelt. In zahlreichen Studien hat er gesellschaftliche Veränderungen im internationalen Vergleich, in Deutschland und auf regionaler und lokaler Ebene untersucht. Für die Themen Zusammenhalt, Vertrauen, Gerechtigkeit und Solidarität sowie neuerdings Desinformation ist er als Experte in den Medien und Speaker bei Veranstaltungen gefragt. Er ist einer der Sprecher der „Allianz für gesellschaftlichen Zusammenhalt“, einem Zusammenschluss von mehreren Stiftungen, die sich in ihrer Arbeit auf unterschiedliche Art und Weise mit der Stärkung des Zusammenhalts in Deutschland befassen. 2018 hat er als Projektleiter den Reinhard Mohn Preis zum Thema „Vielfalt leben – Gesellschaft gestalten“ verantwortet. Von 2004 bis 2011 war er als Wissenschaftler am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld tätig. Kai Unzicker hat von 1998 bis 2004 Soziologie, Psychologie und Philosophie an der Philipps-Universität Marburg studiert.

Weitere Informationen, u.a. zu Publikationen und Projekten finden sich auf der Website der Bertelsmann Stiftung: Profil von Dr. Kai Unzicker

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